Von Mag. Madrina Maria Rößler
Durch Sensitivität beim Pushinghands wird die innere Stärke anwendbar, die durch das Training der Taijiform erworben wird.
Alles das was wir in den 5 Loosenings, und in der Taijiform üben, trainieren wir auch mit einem Partner/einer Partnerin.
Die 5 Loosenings, also die 5 Lockerungsübungen hat Master Huang Xingxian kreiert, um die Prinzipien des Taiji auf äußerlich einfache Weise zu trainieren.
Das Wichtigste ist auch hier, so rasch wie möglich die äußeren Sinne in den Hintergrund treten zu lassen, das Denken ruhig werden zu lassen, eine Verbindung zu den inneren Sinnen herzustellen (das Wahrnehmen von Kribbeln, Stellung der Gelenke, Druck, Wärme und Stretch), also den Geist tiefer sinken zu lassen, das Bewusstsein sozusagen vom Kopf in den Körper zu bringen.
Die 5 Lockerungsübungen helfen vor allem Verspannungen zu lösen, den Körper sanft, weich und fließend zu bewegen, und die Verbindung der Füße zum Boden zu stärken. „Relax, release and align, foot pressure“. So beginnt’s. Ein genaues Alignment (also eine klare Ausrichtung des Körpers), tw. auch spiralförmige Bewegungen, Wellen im Körper, dass „das Zentrum führt“: das alles üben wir bei jeder Trainingseinheit erst mal mit den Loosenings. Und das Allerwichtigste ist die Intention, denn nur zu beobachten wie der Körper sich bewegt, ist zwar ein gutes Gesundheitstraining, reicht aber nicht, um den Geist zu stärken, und zwar den tiefsten Teil des Geistes. Der Mind führt. Er aktiviert und energetisiert die Muskeln und führt so zu Bewegung. Und wenn man dann noch den Effekt der Intention wahrnimmt, trainiert man noch den 3. Teil des Geistes, nämlich die Intelligenz.
Bei der Taijiform wird es durch den fließenden Übergang und Zusammenhang der einzelnen Figuren noch komplexer. Ständig verändern sich die äußeren Bewegungen und ständig verändern sich die inneren Bewegungen. Die Verbindung von „deep awareness“ und „deep intention“ in den genauen und weichen Bewegungen führt zu innerer Stärke.
Bei den Partnerübungen, dem sog. Pushing Hands, entsteht eine hohe Komplexität durch das Üben mit unterschiedlichen PartnerInnen. Äußerlich sind es tw. relativ einfache Bewegungsabläufe (mit 18 vorgegebenen Mustern, davon 8 Hauptmuster), und doch wird ein hohes Maß an Sensitivität erforderlich. Und genau diese Sensitivität ist es, die es erlaubt, die in der Taijiform erworbene innere Stärke anzuwenden. „In der Weichheit liegt die Kraft“. Dieser Satz wird mit fortschreitender Erfahrung immer klarer. Es ist eine Herausforderung keinen Widerstand zu leisten und mit dem Partner/der Partnerin in Verbindung zu bleiben. Zyklisch geht die Phase des Nachgebens (receiving, yielding) in die Phase des Neutralisierens (Sensitivität gepaart mit innerer Stärke) und dann in die Phase des Aussendens der Kraft (issuing) über. Das „Issuing“ sollte beim Pushing Hands erst hinzugefügt werden, wenn die Fähigkeit des Neutralisierens ein hohes Niveau erreicht hat. Ansonsten würde man sich reine Kontraktion und Härte beim Aussenden der Kraft antrainieren.
Durch jahrelanges regelmäßiges Training mit ständigem Bemühen tiefer zu gehen, sich in Richtung des Geistes in seinem tiefsten Aspekt (Deep Mind) weiter zu entwickeln entstehen mit der Zeit tiefe Veränderungen. Es braucht Vertrauen und Geduld, weil diese Veränderungen zwar rasch beginnen, aber Zeit brauchen, um sichtbar und dauerhaft zu werden. Die Lockerheit des Körpers, bessere Aufrichtung, Stärkung der Muskeln und Gelenke, ein besserer Energiefluss und innere Ruhe sind schneller zu spüren und helfen mit, dabei zu bleiben. Eine starke Motivation und das Wissen derer, die vor uns diesen Weg beschritten haben, helfen auch in Zeiten, wo scheinbar „nichts weiter geht“. Tai das Höchste und Ji (Chi) das Letzte, das Unendliche sind nicht leicht zu erreichen, aber es ist wert, sich darum zu bemühen.